Südbrasilien Landesinnere (21.12. - 2.1. 2013

Die Einreise nach Brasilien verlief ohne Probleme und wir fuhren in einiger Entfernung einer riesigen Lagune entlang. Die Landschaft ähnelte noch sehr der Uruguays. Vorerst also nichts Neues für uns. Keine Samba tanzenden Schönheiten im knappen Carnevalsbikini. Das ist hier noch nicht die Gegend dafür. Welche Leute sich den Südzipfel Brasiliens ausgesucht haben, sollten wir bald erfahren.

In Ermangelung eines Campingplatzes haben wir unsere erste Nacht sicher auf einer 24 Stunden Tankstelle zwischen Lastwagen verbracht und uns dort mit einem leckeren Frühstück gestärkt. Das haben wir auch wahrlich gebraucht, weil es an diesem Tag nicht mehr viel zu Essen für uns geben sollte.

Wir waren gut eine Stunde gefahren, da hat Michael einen Leistungsabfall des Bremi bemerkt. Bei der nächsten Gelegenheit ist er stehen geblieben und hat nach seinem besten Wissen alles Mögliche geprüft, nachdem wir zuvor mit unserem Bremi-Experten in Österreich telefoniert hatten. Es stellte sich heraus, dass eine Düse der Einspritzpumpe nicht arbeitete. Zum Glück war eine Lastwagengarage in der Nähe und so sind wir mit „Traktorklängen“ dort angekommen. Der Chefe und Mechaniker zugleich hat sein Bestes gegeben und ist im wahrsten Sinne des Wortes in den Motorraum gekrochen. Trotz der ungewissen Situation hat sich Gerti heimlich amüsiert, als der ca. 1,50m kleine Mechaniker ständig auf den Bremi gehüpft und wieder und wieder im Motorraum verschwunden ist, mit immer neuen Ideen und Werkzeug. Leider hat sich die Lösung nie gefunden, im Gegenteil auf einmal ging gar nichts mehr!!!

 

Der nächste Tag war Samstag vor Weihnachten und wir haben uns schon über die Feiertage bei der Werkstätte stehen sehen. Der Mechaniker und Chefe in einem, Alex, war aber sehr bemüht und liebenswürdig und hat mit Iveco im 100 km entfernten Pelotas telefoniert und organisiert, dass wir noch am Freitagabend (genau gesagt wurde es 20.00 Uhr) dorthin kommen konnten und am nächsten Tag der Bremi drangenommen wurde. Nun hieß es wieder 100 km zurück fahren.

Alex hat einen lokalen Abschleppdienst organisiert der auch bald eintraf. Das war eine unglaubliche „Mühle“! Nur mit großer Mühe schaffte es die Seilwinde des Lasters den Bremi raufzuziehen. Einmal hat es den Laster vorne sogar hochgehoben. Am Ende stand der Bremi etwas nach rechts geneigt drauf und hat bei jeder Unebenheit besorgniserregend geschwankt. Aus lauter Sorge um den Bremi (wir haben tatsächlich befürchtet, dass der Bremi und mit ihm der ganze Laster nach rechts kippen könnten) haben wir beide vergessen von dieser unvergesslichen Situation Fotos zu machen.

Gaaanz langsam und mit gefühlten 10 Mal Kühlwasser in unseren „ÖAMTC-Abschleppwagen“ nachzufüllen sind wir tatsächlich alle heil bei der Iveco Niederlassung in Pelotas eingetroffen.

 

Dort wurden wir bereits erwartet und freundlich empfangen. Wir hatten das Gefühl: „Jetzt wird alles gut!“. Ein englisch sprechender Mitarbeiter hat uns einen Platz zum Übernachten zugewiesen und uns sogar Sanitäreinrichtungen gezeigt. Der Platz war von einem Zaun umgeben und 24 Stunden bewacht. Es wurde uns zugesichert, dass am nächsten Tag (Samstag!) um 08.00 Uhr mit der Reparatur begonnen würde! Und so war es auch: Gleich drei bis vier Mechaniker haben sich das unbekannte Fahrzeug vorgeknöpft. Wieder war eine Angestellte mit guten Englischkenntnissen, um die Probleme „ausdeutschen“ zu können, dabei. Der Bremi wurde in die Werkstatt geschoben, wir mit unserem Laptop in die gemütliche Verkaufshalle der Iveco Niederlassung geführt und die Fachleute haben mit der Arbeit begonnen. Wir sahen uns wieder über die Weihnachtsfeiertage hier bei IVECO stehen, das hat uns aber schon wesentlich besser gefallen, als bei der kleinen Werkstatt am Straßenrand.

 

Es wurde nichts mit dem Fullservice Campingplatz! Kurz nach Mittag wurde der Mitarbeiter, der uns immer auf dem Laufenden gehalten hat, noch lebendiger und machte uns die freudige Mitteilung: Der Bremi ist wieder tipp top fahrbereit. Wir hatten Glück und die Befürchtung, dass die Einspritzpumpe kaputt war hat sich nicht bestätigt. Alle Düsen der Einspritzpumpe waren total verstopft und wurden gereinigt und einige Kleinteile ausgetauscht. Der schlechte Diesel in Südamerika hatte seinen Tribut gefordert! Wir waren selig und mit den besten Wünschen der Mitarbeiter sind wir wieder losgezogen.

 

Wir hatten uns in Brasilien noch gar nicht richtig organisiert. Wir mussten noch Geld beheben und neue Vorräte einkaufen. Hier war ja unser gelobtes Land für leckeres Essen und Üppigkeit in jeder Hinsicht. So sind wir in die Innenstadt von Pelotas gefahren und haben gleich gesehen, welch entzückende kleine Bauten und wundervolle Prachtbauten noch aus der Zeit der Portugiesen hier waren – großteils liebevoll renoviert und in moderne Fassaden integriert. Das hat uns sehr positiv überrascht, weil wir von dieser Stadt nicht viel wussten und uns auch nichts Besonderes erwartet hatten. Also kurze Stadtbesichtigung, einkaufen, Mittagessen und los ging´s. Wieder die 100 km nordwärts, die wir bereits bestens kannten.

 

Diesmal wollten wir in ein ruhiges „Bergdorf“, dass laut Reiseführer einen Hauch von Schweizer Alpen haben sollte. Wir haben geplant die Weihnachtsfeiertage abseits des Trubels, der am Meer überall vorherrschen soll, zu verbringen. Wir sind ins Landesinnere gefahren, wo erst sanfte Hügel und dann tatsächlich fast Serpentinen auf ca. 800 m führten. Durch einen unfreiwilligen Umweg sind wir erst gegen 22.00H in unserem Ort - Gramado angekommen. Wir haben uns bei der Fahrt hierher etwas über den starken Verkehr gewundert. Nachdem aber überall „Romantikstraße“ steht, dachten wir, dass am Samstag eben viele diese Straße fahren, weil sie für Brasilien schon ungewöhnlich kurvig und gebirgig ist. Der Verkehr wurde aber immer dichter, bis fast nichts mehr ging. Das war also das ruhige Bergdorf in dem wir Weihnachten verbringen wollten!!!! Dann sahen wir was hier los war: „WEIHNACHTEN – KITSCH AS KITSCH CAN“!!! Wir waren in der Hölle bzw. im Zentrum des brasilianischen Weihnachtsrummels gelandet. Aufhauser vom Dorf der Tiere würde vor Neid erblassen. Die ganze Stadt war so voll von Weihnachtsdekoration, wie es sie in Europa sicher nirgendwo gibt! Es gibt tagelang Veranstaltungen mit Umzügen und aufgebauten Tribünen in der Stadt. Man Bedenke: Hier hat es zwischen 20°C und 30°C!!! Alles spielt sich im Freien ab. Alle paar Meter grüßte uns der „Pelznikl“. Santa Claus wird hier so genannt. Nachdem der Stau endlos schien und wir hundemüde waren, beschlossen wir, einfach am Straßenrand stehen zu bleiben und hier zu schlafen. Es ist schon schön, wenn man sein Heim gleich dabei hat J War aber eine mutige Aktion, weil in Brasilien „wilde“ Übernachtungen aus Sicherheitsgründen nicht empfohlen sind. Jedoch hier in den Bergen schien die Situation für uns sicher zu sein.

Hundertschaften von Bussen werden täglich herangekarrt. Wir haben den Nachrichten später entnommen, dass in Gramado zu den 30.000 Einwohnern während der Feiertage noch bis zu 1 Mio. Besucher erwartet wurden. Alle Hotels sind voll, auch unser Campingplatz. Der einzige übrigens, den es hier gibt. Die Besitzerin sagte: „fechado - voll“, deutet uns aber mit einer Geste etwas zu warten.

 

Dann führte sie uns in den Campingplatz zu zwei Familien. Fragte sie auf Portugiesisch: „ Ihr könnt doch Englisch oder Deutsch, können die zwei noch hier stehen?“ Und dann ging es los mit der brasilianischen Gastfreundschaft! Ein Auto wird zur Seite gefahren. Einige Leute kommen gleich zu uns und sprechen uns auf Deutsch an. Alle interessieren sich für uns und unsere Reise in Südamerika. Ständig wird der Bremi fotografiert und kaum strecken wir den Hals aus der Kabine, wartet schon der nächste Gesprächspartner auf uns. Sprachprobleme gibt es nicht – wir sind überwältigt und am Ende des Tages auch ganz schön fertig ob dieses herzlichen Empfanges. Es bleibt ja nicht beim Reden, nein auch zum Essen und Trinken werden immer wieder eingeladen. Wir erfahren, dass sehr viele Südbrasilianer deutsche Wurzeln haben und deshalb auch einen eigenartigen deutschen Dialekt sprechen. Von wegen Samba und schokobraune Strandschönheiten! Hier im Süden schauen die Menschen eher aus wie bei uns und aus den Lautsprechern dröhnt volkstümliche Musik mit Ziehharmonikas und Bläsern.

 

Ganz besonders berührend für uns war das Treffen mit zwei österreichischen Auswanderern, die in den fünfziger Jahren in Südbrasilien eine Österreichische Kolonie mitgegründet hatten, die mittlerweile aus 5 Dörfern besteht. Die entbehrungsreichen ersten Pionierjahre wurden später durch großen Wohlstand belohnt. Die Österreicher sind jetzt reiche Großbauern, die ihre Ackerflächen durch Zukäufe noch gewaltig ausdehnen konnten. Heute sind zwei, manchmal sogar drei Ernten pro Jahr machbar. Ermöglicht wurde dieses Wunder großteils mit Finanzierungshilfen aus der Schweiz. Durch diesen Kontakt erfuhren wir auch von anderen Österreichern, die hier Kolonien gegründet hatten und wovon in keinem Reiseführer etwas zu lesen war.

 

Es gibt im Bundesstaat Santa Catarina ein Dorf namens 13 Linden (Treze Tilias), welches von Österreichern vor allem aus Tirol in den 30er Jahren gegründet wurde. Diese Geschichte hatte es uns besonders angetan, sie wäre perfekt für eine Verfilmung geeignet! Wir beschlossen, die weite Reise dorthin zu unternehmen, weil die Strände zwischen Weihnachten und Neujahr überall überfüllt sein sollen und uns außerdem eine Schlechtwetterzone eingeholt hatte.

 

Die Gegend um die Dreizehnlinden wurde in der Zeit von 1934 bis 1937 von mehreren Einwanderungsgruppen mehrheitlich aus Tirol, Vorarlberg und sogar Salzburg besiedelt. Es gab dort noch reinen Urwald und die Leute mussten echte Pionierarbeit vollbringen, um überhaupt überleben zu können. Angeführt wurden die Tiroler vom charismatischen Andreas Thaler, der zuvor österreichischer Landwirtschaftsminister gewesen war, und seine guten politischen Kontakte in Brasilien nutzen konnte. Thaler sondierte bei mehreren Reisen durch Südamerika verschiedene Plätze für die Koloniegründung. Schließlich viel seine Wahl auf diese Gegend, weil das Klima hier noch eher gemäßigt ist und die Hügel etwas an Österreich erinnern. Außerdem gab es hier kaum Kindersterblichkeit, was er als geringes Risiko für tropische Krankheiten wertete. Thaler plante hier eine viel größere österreichische Kolonie aufzubauen, aber der zweite Weltkrieg zerstörte diese Pläne.

 

Heute ist Dreizehnlinden eine gemischt österreichisch-italiensch-deutsch-brasilianische Siedlung mit wachsendem brasilianischen Anteil. Dadurch liefen uns da und dort auch schon echte brasilianische Schönheiten über den Weg, oder waren sie auch nur Touristen wie wir?

Das Tirolertum wird jedoch hochgehalten, alle Hotels sind im Tiroler Stil gebaut mit den typischen Balkonblumen. Die Österreichische Kultur wird ebenfalls gepflegt, die Nachkommen sprechen noch großteils Deutsch. Es gibt sogar ein Österreichisches Konsulat, weil die meisten österreich-brasilianische Doppelstaatsbürger sind und hier tatsächlich an den Wahlen in Österreich teilnehmen können. Das Museum der Gemeinde ist in der ehemaligen „Residenz“ von Andreas Thaler angesiedelt und gibt einen umfassenden Einblick in die interessante Geschichte des Dorfes. Nicht zuletzt erwähnen möchten wir das Restaurant Bierbaum, der gleichnamigen Familie, mit angeschlossener Brauerei. In dieser Institution konnten wir herrliche Österreichische Gerichte genießen und auch die Pizzas kamen aus einem echten Holzofen. Die Biere sind ebenfalls sensationell und wir konnten dort auch einen der seltenen WIFI-Hotspots Brasiliens nutzen. Wegen seiner „Exotik“ ist das Lokal bei den Brasilianern ein Hit und wird an den Feiertagen regelrecht gestürmt.

 

Durch die anregenden Gespräche mit unseren Österreichischen Einwanderern auf den Geschmack gekommen, änderten wir nun unsere geplante Route weg vom Meer, weiter ins Landesinnere und fuhren kurz vor Sylvester nach Dreizehnlinden. Wir verbrachten hier Sylvester mit einer Österreichischen-Volksmusi-Combo und einem brillanten Feuerwerk bei 22°C am Dorfplatz mit tausenden Menschen auch aus den Umlandgemeinden und sogar einigen Touristen aus Rio.

 

Nächstes Ziel unserer Reise zu Österreichern in Brasilien werden die Gemeinden im Bundesstaat Parana sein, ehe wir dann endlich zu den Stränden gelangen werden.

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Kommentare: 2
  • #1

    Ru und Ro (Mittwoch, 02 Januar 2013 21:28)

    Liebe Gerti, lieber Michael,
    wir genossen gerade eure letzten Reiseberichte. Fad wird einem-euch beim Reisen ja nie und so auch nicht uns beim lesenden Mitverfolgen dürfen:). Die Mechaniker dort können noch was und bemühen sich zudem, erfreulich!
    Wir wünschen Euch noch ganz viel Reiseenergien und angenehme Überraschungen in eurem weiteren unterwegsseienden 2013 Halbjahr,
    herzliche Grüße zum New-Yearstart von uns :-))!

  • #2

    Wolfgang Kurz (Samstag, 05 Januar 2013 11:23)

    Liebe Abenteurer!
    Habe mir euren äußerst interessanten Reisebericht durchgelesen und bin höchst begeistert von eurer Spontanität und Geduld. Irgendwie beneide ich euch um eure Eindrücke. Freue mich jetzt schon auf weitere Berichte und tolle Bilder von euch!!!
    Weiterhin viel Glück und Spaß bei eurem Abenteuer.
    Ganz liebe Grüße aus Großgmain

    Wolfgang Kurz